THEMAFOTO 2019 GENOMEN IN AUGUSTUS TE FRANKFURT


MENSCH

Een foto genomen van de letters M E N S C H op een gebouw in de wijk Bahnhofsviertel te Frankfurt tijdens mijn korte verblijf aldaar gedurende roadtrip door Frankrijk en Duitsland deze zomer.

Voor mij themafoto van 2019 waar ik in 2018 meer inzoomde op de Human Power stond in 2019 de MENS an sich helemaal centraal in mijn werk en privé.

Wat hebben we het toch goed in Nederland als mens ontdekte ik tijdens verblijf in kleine gehuchten in Frankrijk en in grote steden in Duitsland.

Wat heftig om te zien hoe arm en rijk dicht bij elkaar leven bijvoorbeeld in de Bahnhofsviertel en het bijna normaal lijkt voor eenieder hoe triest mensen leven in deze wijk in de “geldhoofdstad van Europa”

Lees er meer over in onderstaande artikels onder de foto’s naast de videoclip van Herbert Grönemeier uit 2011 Mensch en zie ook de foto’s die ik maakte in Frankfurt tijdens zoektocht naar bankovervallers door militairen en politie die om me heen renden rond het station toen ik de hond even uitliet en hoe bizar heel gewoon dit voelde nadat er ook vreselijke aanlagen gepleegd waren op die plek eerder dit jaar.

Ik hoop dat na Power (2018) en Mensch (2019) in 2020 een hoopvol thema de hoofdrol gaat spelen voor ieder MENSCH (friend or foe)

Veel menselijke dagen toegewenst JOHN XXX


Herbert Grönemeier: Mensch

[Strophe 1]

Momentan ist richtig

Momentan ist gut

Nichts ist wirklich wichtig

Nach der Ebbe kommt die Flut

Am Strand des Lebens

Ohne Grund, ohne Verstand

Ist nichts vergebens

Ich bau die Träume auf den Sand

 

[Refrain 1]

Und es ist, es ist ok

Alles auf dem Weg

Und es ist Sonnenzeit

Unbeschwert und frei

Und der Mensch heißt Mensch

Weil er vergisst

Weil er verdrängt

Und weil er schwärmt und stählt

Weil er wärmt, wenn er erzählt

Und weil er lacht

Weil er lebt

Du fehlst

 

[Strophe 2]

Das Firmament hat geöffnet

Wolkenlos und ozeanblau

Telefon, Gas, Elektrik

Unbezahlt, und das geht auch

Teil mit mir deinen Frieden

Wenn auch nur geborgt

Ich will nicht deine Liebe

Ich will nur dein Wort

 

[Refrain 2]

Und es ist, es ist ok

Alles auf dem Weg

Und es ist Sonnenzeit

Ungetrübt und leicht

Und der Mensch heißt Mensch

Weil er irrt und weil er kämpft

Und weil er hofft und liebt

Weil er mitfühlt und vergibt

Und weil er lacht

Und weil er lebt

Du fehlst

Oh, weil er lacht

Weil er lebt

Du fehlst

 

[Instrumental]

 

[Refrain 3]

Es ist, es ist ok

Alles auf dem Weg

Und es ist Sonnenzeit

Ungetrübt und leicht

Und der Mensch heißt Mensch

Weil er vergisst

Weil er verdrängt

Und weil er schwärmt und glaubt

Sich anlehnt und vertraut

Und weil er lacht

Und weil er lebt

Du fehlst

 

[Refrain 4]

Oh, es ist schon ok

Es tut gleichmäßig weh

Es ist Sonnenzeit

Ohne Plan, ohne Geleit

Und der Mensch heißt Mensch

Weil er erinnert, weil er kämpft

Und weil er hofft und liebt

Weil er mitfühlt und vergibt

Und weil er lacht

Und weil er lebt

Du fehlst

Oh, weil er lacht

Weil er lebt

Du fehlst

„Das Elend im Bahnhofsviertel anzuschauen ist normal geworden“

Heute ist wieder Bahnhofsviertelnacht. Vorab haben wir uns im Viertel genauer umgeschaut und nachgefragt, warum Banker und Partymenschen ihr Feierabend-Bierchen gegenüber von armen Menschen trinken.

15-08-2019 Frankfurter Rundschau Sabrina Butz 

Frankfurt – Die verschiedenen Menschengruppen im Bahnhofsviertel leben zwar auf engem Raum, aber völlig getrennt voneinander: In der Niddastraße liegen Menschen auf dem Bürgersteig, manche sind drogenabhängig, andere obdachlos, manche beides. In Taunus- und Moselstraße reihen sich Sexshops, Casinos und Laufhäuser aneinander. In der Kaiserstraße hetzen Reisende zwischen Restaurants, Hotels, Juweliergeschäften und Hauptbahnhof hin und her. Angesprochen werden will keiner. Und es gibt hier keinen Ort zum Hinsetzen, keine Bank.

In der Münchener Straße bietet ein Touristenshop im Schaufenster Pfefferspray an – und ein paar Meter weiter finden sich die bei Großstadthipstern beliebten Yok-Yok-Kiosk und Plank-Bar. Auf einem der Stühle vor der Bar sitzt die 27-jährige Mareike mit ihrer 23-jährigen Freundin Lissy. Sie trinken Weißwein und haben Zeit zu reden. Lissy sagt: „Im Bahnhofsviertel sieht man halt die Gegensätze, es ist ein Abbild von Frankfurt.“ Gehen sie deshalb hier aus? „Man geht hier halt hin, man kennt die Leute.“ Tatsächlich winken zwei Vorbeilaufende wie zur Bestätigung.

„Du siehst hier echt alles, die traurigsten Leute“

Die 28-jährige Bana, die sich mit an den Tisch der Plank-Bar setzt, sagt: „Das Bahnhofsviertel hat sich schon gemacht, ist eher ein Ausgehviertel geworden. Aber immer noch stigmatisiert.“ Mareike erzählt: „Du siehst hier echt alles, die traurigsten Leute.“ Lissy ergänzt: „Die Taunusstraße ist schlimm, ‚The Walking Dead‘ live.“ Ist das nicht eher abschreckend? Lissy sagt: „Es ist wahrscheinlich das Verbotene, das reizt. Die Banker, die hier zwischen Junkies und Prostituierten ihr Bier trinken, verschließen die Augen vor Drogen und Menschenhandel und stellen das als cool hin.“ Aber sie selbst sind doch auch hier? Die beiden sehen die Problematik: „Man härtet ab, das Elend anzuschauen, ist normal geworden.“

Lesen Sie auch: Erfolge gegen Kriminalität im Bahnhofsviertel

Seit acht Jahren ist Jenny Blaine (39) clean. Sie ist im Methadon-Programm. Mit 12 fing sie an zu trinken. Mit 16 hing sie an der Nadel. Heute klärt sie im Bahnhofsviertel auf, wie das Leben in der Drogenhölle ist. Das schreckt auch Jugendliche ab, in den Teufelskreis Droge zu kommen.

Tatsächlich steht nebenan vor dem Yok-Yok-Kiosk der 57-jährige Markus mit einem Kollegen zum Feierabendbier: „Hier trifft sich alles, die fiesen Banker wie wir mit den …“ Er spricht nicht weiter, schaut sich kurz um. Studierende sitzen auf dem Bürgersteig. Als er in die andere Richtung blickt, wo eine obdachlose Frau mit Einkaufswagen läuft, betont er: „Überall würden wir nicht stehen, aber hier ist es entspannt.“ Während er das sagt, grenzt er mit den Armen einen etwa vier Quadratmeter großen Raum ab.

„Die Drogenkonsumenten gehören eben dazu“ 

Der 32-jährige Chris drückt es weniger nüchtern aus: „Ich habe schon gemerkt, dass ich Berührungsängste habe.“ Ab und an besucht er eine Freundin, die hier in einer Drogenhilfe arbeitet. „Aber die Drogenkonsumenten gehören eben dazu. Es sollte mehr solcher Einrichtungen geben.“

Er trinkt Kaffee in der Kaiserstraße: „Hier kann man sich treffen. Es ist komisch, dass eine Straße weiter das Sexgeschäft passiert. Aber das Hausprojekt Nika in der Niddastraße ist großartig,“, sagt er über das alternative Wohnprojekt im Bahnhofsviertel.

Im August wurde ein 37-Jähriger im Bahnhofsviertel Frankfurt niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Die Polizei sucht jetzt mit Bildern einer Überwachungskamera nach den Tätern.

Der 24-jährige Vincent Jeffrey sagt: „Beim Yok-Yok sehen alle aus wie aus einem Modekatalog und starren auf die andere Seite, wo normale Leute leben, essen, einkaufen, sich die Haare schneiden lassen.“ Er fügt hinzu: „Das ist schon eine beispiellose Gentrifizierung. Die Leute suchen den Thrill und finden das auf perverse Weise geil. Wenn alle Obdachlosen oder Prostituierten weg wären, über die sie sich erheben können, würden sie hier auch keinen Kaffee mehr saufen.“

Von Sabrina Butz 

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Menschen

Ich habe 24 Stunden im Frankfurter Bahnhofsviertel verbracht

"Hast du Zeit für ein bisschen Sex?"

VICE Florentin Schumacher 12 November 2019

 

06:41 Uhr

Ich komme aus dem Bahnhof, mit der Lautsprecherwarnung vor "organisierten Bettelbanden", und dann liegt das Viertel seltsam friedlich vor mir. Zwei Handwerker mit Plastikbechern und Atemdampf vorm Gesicht warten auf die Straßenbahn. Eine Taube pickt Dönerfleisch auf, das vielleicht Kotze ist, die vielleicht Dönerfleischkotze ist. Am Ende der Kaiserstraße, Richtung City, gehen die Lichter an, und nach und nach leuchten die Büroquadrate in den Hochhäusern.

 

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Das Frankfurter Bahnhofsviertel also. Ein Ort mit selbsterklärendem Namen wie der Kotti oder die Reeperbahn. Bevölkerung: gut 3.500, Kriminalitätshotspot und Kulisse für "RTL 2"-Reportagen wegen geiler Ghettoaura. Wo die Gangster Crack inhalierend in Spielhöllen rumhängen, sich Tätowierungen in die Stirn schnitzen und über Herrenhandtaschen reden.

 

Auch bei VICE: Chemnitz mit Trettmann & Kummer - Episode 1

 

 

Aber wie authentisch (heftig/krass/hart) ist das Bahnhofsviertel tatsächlich? Ehrlich und echt, weil sich hier die Realität zeigt hinter Politikervokabeln wie Betäubungsmittelmissbrauch und Beschaffungskriminalität? Oder haben sich die zwanzig Laufhäuser und ungezählten Junkies und Dealer längst in ein Freiluftmuseum verwandelt, eine Folkloreveranstaltung mit Gangstern, die weniger auf der Straße rumstehen als am heizstrahlergewärmten Set der Netflix-Serie Skylines?

 

08:02 Uhr

Vor "übelbeleumdeten Wirtschaften" warnte die Reichsbahndirektion Frankfurt/Main ihre Angestellten, die am Hauptbahnhof eine Pause machten. Das war 1921. Wie vor hundert Jahren führt die Kaiserstraße vom Haupteingang durchs Bahnhofsviertel in die Innenstadt. Strenggenommen betritt man erst mit ihr das berüchtigte Viertel of 069, denn der Bahnhof selbst gehört in der kontraintuitiven Verwaltungslogik zum angrenzenden Gallusviertel.

 

Am Anfang der Kaiserstraße baut Caglar Hamdi seinen Blumenstand auf. Seit 21 Jahren kommt er auf den Wochenmarkt. Während er mit erdverschmierten Händen Preisschilder sortiert, sagt er: "Alles wird schlimmer, Geschrei hier, Geschrei da. 80 Prozent sind Ausländer ohne Ordnung. Die Ohren würde ich denen gern langziehen. Ich bin auch Ausländer, aber ich habe gelernt, mich ordentlich zu verhalten." Zum Beweis nickt er einer Stammkundin zu: "Seit es den Euro gibt, kostet bei mir ein kleiner Strauß fünf Euro und ein großer zehn. Das ist Anstand."

 

Blumenverkäufer

"SEIT ES DEN EURO GIBT, KOSTET BEI MIR EIN KLEINER STRAUSS FÜNF EURO UND EIN GROSSER ZEHN. DAS IST ANSTAND", SAGT BLUMENVERKÄUFER CAGLAR HAMDI.

Hamdi erzählt, dass er seine Blumen auf einem Großmarkt in den Niederlanden ersteigert und mit dem LKW in sein Kühlhaus bei Frankfurt schafft. Ich frage ihn, ob er den "Holland Job" kennt, das Album, auf dem Haftbefehl und Xatar erklären, welche Ware sie bevorzugt aus den Niederlanden in den deutschen Wirtschaftskreislauf einführen. Aber Hamdi hört keinen Rap. Sowieso muss er los und ein Beerdigungsbouquet ausliefern, eine Bekannte aus der türkischen Gemeinde ist gestorben.

 

Die erste Person, die ich im Bahnhofsviertel treffe, importiert also gleich mal im großen Stil aus Holland: Gerbera und Geranien.

 

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08:51 Uhr

Die Kaiserstraße runter, vorbei an den Rollläden der Restaurants, die jetzt hochrattern und die letzten Schlafenden aus den Ladeneingängen vertreiben. Mit jedem Schritt vom Bahnhof weg werden die Abgehängten weniger und die Hosenanzugfrauen mehr, die Altbauten machen Glastürmen Platz. Vor der Tiefgarageneinfahrt eines Hochhauses rauchen zwei Wachleute, er groß und breit, sie klein und mit metallic-pinken Haaren. Objektschutz, sie bewachen ein Gebäude der Deutschen Bahn.

 

 

Wie ist es denn so als Wachfrau, Wachmann im Bahnhofsviertel? "Wenn ich Bekannten erzähle, wo ich arbeite, kommt immer: Bahnhof, offene Drogenszene, krass. Aber das ist viel Mythos. Die Konsumenten gehören zum Viertel wie Inventar, mit denen ist alles entspannt. Die Partytouristen, die meinen, sich aufs Maul hauen zu müssen, die sind anstrengend", sagt sie. "Die Junkies kennen uns, wir kennen sie, und wenn sie ein Problem haben mit BTM, dann helfen wir und rufen den RTW."

 

BTM für Betäubungsmittel. RTW für Rettungswagen. Weitere Bahnhofsviertelwörter: Steine (Crack), Chemo-Steine (unsauberes Crack). Ach ja, Crack: Droge Nummer Eins hier, rauchbare Kokainkristalle, die beim Verbrennen krachen und knistern.

 

09:18 Uhr

Unten am Main, auf einer Parkbank, sitzt Andi und raucht Marihuana aus einem silbrigen Pfeifchen. Neben ihm liegen Schlafsack, Isomatte und Rucksack, ohne sie fiele Andi kaum auf als Obdachloser. Mit 41 sieht er aus wie 30, ein rothaariger großer Junge. Seit sechs Jahren lebt er auf der Straße, freiwillig. "Ich habe 20 Jahre als Landschaftsbauer gearbeitet. Aber mir gefällt die Gesellschaft momentan nicht. Der Termindruck. Hetze und Stress. Da mache ich es mir lieber gemütlich, sammle Flaschen und lese in der Bibliothek."

 

Obdachloser am Mainufer

ANDI, 41, LEBT SEIT SECHS JAHREN AUF DER STRASSE, FREIWILLIG.

Was hat sich geändert in den sechs Jahren, die er im Bahnhofsviertel lebt? "Am Anfang waren wir drei Obdachlose im Hauptbahnhof", sagt Andi. "Heute sind es 25 und mehr, man grüßt einander nicht einmal. Da gehe ich nicht mehr hin. Alle auf Nadel oder Steine, das ist Scheiße. Und dann die Zigeuner. Die sind gar keine richtigen Obdachlosen, aber nehmen uns unser Pfand weg. Die gehören aus der Stadt geprügelt. Aber AfD wähle ich trotzdem nicht, die sind nicht besser als die FDP."

 

11:37 Uhr

Auf dem Weg zum Hauptbahnhof nimmt ein Bauchtaschentyp Augenkontakt auf. Ich gehe vorbei und warte auf sein "Brauchst du was?". Aber nichts kommt. Als ich hochschaue, sehe ich in seinem Ohr einen hautfarbenen Knopf. Zivilfahnder und Stadtpolizistinnen, Streifenwagen und Mannschaftsbusse: In manchen Momenten scheint es, als bekämen die Dealer und Junkies eine Eins-zu-eins-Betreuung, so viel Polizei ist unterwegs.

 

 

Auf der Treppe runter zur B-Ebene, der nach Urin riechenden Einkaufspassage unterm Bahnhof, teilen drei Schüler einen Joint. Woher haben sie ihr Gras, kaufen sie hier? "Nee, Mann, heftige Kontrollen." Ein älterer Bruder baut selbst an. Wenn ich sehen wolle, wo das Bahnhofsviertel krass sei, müsse ich in die Taunusstraße, zu den Matratzenlagern der Junkies. "Das ist Walking Dead, live."

 

Auch die B-Ebene galt einmal als krass, hinter den Säulen verkauften die Dealer, auf den Treppen lagen Süchtige mit Nadel im Arm. Bloß ein paar Jahre ist das her. Jetzt steht Berndré Becker hinter dem Verkaufstisch eines Designerstores und legt T-Shirts zusammen. "069" steht auf der Brust, die Marke heißt "BHFSVRTL". Berndré, 23, sieht die neue Coolness des Bahnhofsviertels, mit der sich Klamotten verkaufen und Serien vermarkten lassen, zwiespältig. "Was für die einen rough und krass ist, ist für die anderen einfach Leid."

 

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15:47 Uhr

Am Bahnhof steht eine Koalition von Kampfbereiten der Polizei gegenüber. Angesoffene Fans von "Standard Lüttich", dem belgischen Club, der am Abend gegen die Eintracht spielt. Bengalos brennen, Flaschen fliegen. Die Bereitschaftspolizisten setzen ihre Helme auf.

 

Franfurt Fußballfans

EINTRACHT FRANKFURT GEGEN STANDARD LÜTTICH – VOR DEM SPIEL.

Neben mir lehnt an der Hauswand Marko, ein Lüttich-Fan, gutbürgerlich mit Hemd und zurückgegeltem Haar. Marko sagt den Weltklassefußballsatz: "Das ist kein Fußball." Gewalt gehöre nicht zum Spiel. Nun ja, offensichtlich stimmt auch das Gegenteil. Böller fliegen. Ein neuankommender Gaffer fragt, was hier passiert. Bauchtaschentyp 2, ohne Knopf im Ohr, sagt: "Frankfurt."

 

19:41 Uhr

Ich gehe vorbei an einer Table-Dance-Bar, und die Frau davor auf dem Barhocker sagt: "Komm rein, junger Mann." Sie ist alt, Anfang 60, und hockt da mit der Autorität einer Türsteherin, die alles gesehen hat. "Los, trau dich."

 

Rotes Licht fällt durch das Viereck der geöffneten Tür hinter ihr. Drinnen raucht eine Bardame am Tresen. Kein einziger Gast. "Sieht leer aus bei Ihnen."

 

"Freu dich, so haben die Damen viel Zeit für dich."

 

Sie lacht über diesen aussichtslosen Versuch, und ich sage, was ich mache, Reportage, 24 Stunden. "Ich würde dir gern was erzählen, Junge, aber ich kann wirklich nicht. Wenn mein Name irgendwo abgedruckt wird. Ich habe noch drei Jahre, ich gehe kein Risiko mehr ein."

 

"Sie gehen in drei Jahren in Rente?"

 

"Rente? In dieser Branche gibt es keine Rente."

 

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20:50 Uhr

Der "Irish Pub" ist knallvoll, klackernde Biergläser, Geplapper und die Fußballkommentatorenstimme. Sofort Trinkerverbrüderung mit Olli und Truyen am Tresen. Olli wartet auf seine Freundin aus Zürich, die er später am Bahnhof abholt. Er kommt aus der Nähe von Gießen, Tätowierer ist er, Punker, kein Fußballfan. Truyen trinkt Whisky Sour und arbeitet in Luxemburg für einen Hedgefonds. IT, Compliance, irgendwas in der Richtung. Wenn ich ihn richtig verstehe, passt er auf, dass die Manager nicht mit Kunden in den Stripclub gehen. "Das kannst du nicht mehr machen. Früher haben sie die Stripperin als Spesen abgerechnet. Wer das heute probiert, kriegt eine Abmahnung.”

 

23:45 Uhr, ungefähr

Ich stehe vor einem Laufhaus. Puff, Bordell. Der Vorhof zum Strafgericht Gottes. Ja, Mama, du hast es mir eingeimpft: Wer an einem Joint zieht, landet demnächst auf der Straße – wer einen Fuß in ein Bordell setzt, ist schon auf dem Weg in die Hölle.

 

Vor mir zögern zwei schlingernde Anzug-Jungs.

 

"Ich gestehe, ich hab ein bisschen Angst."

 

 

"Echt? Warum?"

 

"Naja, ich weiß, für dich ist das bloß von sexueller Relevanz."

 

"Ja, Mann, das macht es so geil."

 

"Aber findest du nicht, es gibt eine gesellschaftliche Dimension?"

 

I feel you, bro. Dann gehe ich rein.

 

Als Erstes ein Schild: "In diesem Haus herrscht Kondompflicht". Dann ein gekachelter Gang in violettem Licht. Ein Spalier von Frauen, die an den Türrahmen ihrer Zimmer lehnen.

 

"Hey Curly, komm rein."

 

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"Sei nicht schüchtern, Löckchen."

 

"Hast du Zeit für ein bisschen Sex?"

 

Vielleicht sollte ich die Damen im "Haus 44" beschreiben, ihr Aussehen und ihre Berufskleidung. Aber das wäre bloß eine Aneinanderreihung von Klischees. Netzstrumpfhosen, geglättete Haare. Sowieso fällt mir mehr zu meinen Schuhen und dem Muster des Fußbodens ein.

 

Als ich rauskomme, fühle ich mich wie

 

a) Google-Rezensent "daut music", der über seine Erfahrung im "Haus 44" schreibt: "Keine Ahnung ich hab da nur neues Fenster eingebaut"

 

b) ein Mann, der im Puff war.

 

Florentin Schumacher

AUTOR FLORENTIN SCHUMACHER - 24 STUNDEN WACH.

00:59 Uhr

Nach diesem Spießrutenlauf erst einmal einen Negroni im "Kinly": Der dämmrige Keller neben einer Fixerstube ist Deutschlands offiziell beste Bar. Drinnen erklärt ein Brite einer Australierin: "Frankfurt is not Germany." Ach so. Ich vermute, das Junkielager oben auf dem Gehweg hat sie schockiert. Aber, nee. Im Gegenteil. Sie findet Frankfurt schön großstädtisch, "not like Germany at all".

 

Vielleicht beschreibt kein Ort besser das Bahnhofsviertel. Elbestraße 34, Kinly-Bar: Wer 15 Euro für einen Drink aus dem Rotationsverdampfer zahlt, kann entspannt darüber diskutieren, wie undeutsch/ursprünglich/hip/(beliebiges Adjektiv einsetzen) das Bahnhofsviertel ist. Nur ein paar Meter weiter: Elbestraße 38, Drogennotdienst. Wer davor rumhängt, dem können Diskussionen über die Mythisierung des Bahnhofsviertels in Netflix-Serien egal sein, weil ein bisschen realere Probleme drängen.

 

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03:49 Uhr

 

Ich schäme mich nur ein wenig , als ich zur Bahnhofsmission gehe. Mir ist kalt, ich bin müde. Mein Akku ist leer. Als ich an einem Hauseingang mit Schlafenden vorbeikomme, denke ich für einen Moment, wie schön es wäre, mich dazuzulegen. Dann, dass ich ein dummer Elendstourist bin.

 

Ich lade mein Handy, als eine Frau in die Bahnhofsmission kommt. "Scheiße, Leute, ich bin so am Ende. Könnt ihr mir ein Bett organisieren?"

 

"Das geht erst morgen wieder", sagt der Missionsmitarbeiter.

 

"Bitte, mir ist kalt. Gebt mir mindestens eine Decke. Oder eine Jacke. Und eine für meinen Freund."

 

"Ich gebe Ihnen eine Jacke, aber er muss seine selbst holen."

 

"Selbst holen? Okay. Kann er machen. Sein Crack raucht er ja auch allein."

 

04:23 Uhr

Wie so viele Nächte endet diese in einem Dönerladen. Zwischen einer österreichischen Abendgesellschaft, die sich mit Grillsauce vollkleckert. Die Ayranrührmaschine rührt Ayran. Der einzige andere Gast, ein junger Mann mit McFit-Armen und Buzzcut, nickt mich an seinen Tisch.

 

Ich nehme Kaffee, für Rico gibt es Desperados, "mit Limette wegen Vitamine". Nach ein paar Minuten kommen zwei Kumpels. "Wie, ihr seid schon zurück?", fragt Rico. "Was seid ihr, Schnellspritzer?"

 

Straßenfeger Frankfurt

AB VIER UHR MORGENS FEGEN YILMAZ (RECHTS) UND TODORO DIE STRASSE GEGENÜBER VOM HAUPTBAHNHOF.

"Bra, hast du noch Geld da? Mir fehlen fünf Euro."

 

Rico gibt ihm einen Fünfziger, und sie verschwinden auf der anderen Straßenseite im Laufhaus. "Ich hab mir geschworen, ich geh da nicht rein", sagt Rico. "Aber die zwei, Alter, das sind solche Ficker."

 

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Irgendwann sitzen wir draußen, weil durchgewischt wird, rauchend und zu müde zum Reden. Rico macht "069" an. "Die Banken kratzen an den Wolken/Ich mich am Yarrak, wie komm ich an Euros?", rappt Haftbefehl. Wir schauen aufs Laufhaus, Männer kommen heraus, die Taxischlange wird kürzer. Wie kommt man an Euros? Als wollten sie eine Antwort geben, gehen in den Hochhäusern die Lichter an

 

John KistermannComment